MESserscharfe Analyse
Zentrale Fragen für individuellen MES-Erfolg
22.11.2023 — Sonderbeilage Zeitschrift „IT&Production“: WISSEN KOMPAKT
Ein Manufacturing Execution System (MES) kann die Mitarbeiter in der Fertigung von unproduktiven Abläufen, Tätigkeiten und Fehlern befreien. Es kann Prozesse in Echtzeit steuern, auf einen Blick transparent machen und heterogene Automatisierungslandschaften integrieren. Weil MES-Lösungen in der Praxis so verschieden sind wie Firmenbedürfnisse, gilt es einige Fragen zu beantworten.
Welche Fertigungsszenarien profitieren von einem MES?
Der Einsatz eines MES ist grundsätzlich für alle Branchen und Firmengrößen empfehlenswert. Ihre besonderen Stärken zeigen die Systeme in Unternehmen mit einer hohen Produktvielfalt in der Einzelteil- und Kleinserienfertigung, wenn die Produktion komplexer wird und häufige Umrüstungen benötigt. Dies gilt zum Beispiel für die spanabhebende Fertigung, aber auch für den Sondermaschinenbau, wo über längere Zeit hinweg viele Tausend Teile zu beschaffen oder herzustellen sind und termingerecht in den Fertigungs-Workflow einfließen müssen. Andererseits können auch kleine Einzelteillohnfertiger mit wenigen Mitarbeitern profitieren. Denn hier nimmt der Chef oft viele Aufgaben in Personalunion wahr und benötigt auch unterwegs via Remote-Zugriff einen Überblick über freie Kapazitäten oder Klarheit, ob und wo etwas aus dem Ruder läuft.
Reicht nicht auch ein ERP-System?
Der Fokus eines ERP-Systems liegt auf der Unternehmensorganisation und den kaufmännischen Abläufen, nicht auf der Fertigung. ERP-Software kann eine hochdynamische Fertigungssteuerung mit häufigen Änderungen meist nicht automatisiert abbilden und verlangt manuelle Eingriffe. Viele Firmen sind deshalb schon bei der ERP-Nutzung für diese Zwecke gescheitert. Jedoch lassen sich ERP und MES vernetzen, Daten jeweils ein- und zurückspielen und so Synergien schaffen.
Wie verbessert ein MES die Fertigungsplanung und -steuerung?
Ein Produktionsleiter soll auch ohne einen Rundgang durch die Fertigung jederzeit einen Überblick bekommen können, was gerade auf einer Maschine geschieht, wo welches Werkzeug läuft, welches NC-Programm wo verfügbar ist oder in welchem Stadium sich ein Bearbeitungsprozess befindet. Noch wichtiger ist, sofort zu wissen, wo etwas fehlt oder nicht plangemäß gefertigt wird. Auch sollen die Mitarbeiter keine wertvolle Zeit für die Suche nach Informationen oder Material verschwenden. Denn genau wegen solcher unproduktiven Tätigkeiten und Abläufe sind Durchlaufzeiten zu lang oder Maschinen nicht ausgelastet. Berechnungen haben ergeben, dass dadurch zum Beispiel einem Werkzeugbaubetrieb mit 25 Mitarbeitern im Schnitt die Kapazität von zwei Mannjahren verloren geht.
Ein agiles MES mit automatischer Betriebs- und Maschinendatenerfassung (BDE/MDE) verhindert bzw. begrenzt dies und sorgt dafür, dass alle nötigen Daten, Materialien, Betriebsmittel und das zugehörige Personal zur richtigen Zeit am richtigen Ort einsetzbar sind. Es macht Planung und laufende Prozesse visuell via Dashboard in Echtzeit transparent und zeigt sofort Fehler und Abweichungen an. Seine umfassende Digitalisierung und Vernetzung spart den Zeitaufwand für manuelle Vorgänge und Papieraufzeichnungen ein. Auch die Auftragsplanung wird einfacher, weil freie Kapazitäten oder Überlastungen auf einen Blick sichtbar sind.
Was muss integriert werden?
In vielen Betrieben bestimmen unterschiedliche Systeme, darunter auch Eigenentwicklungen, die IT-Produktionslandschaft. Der Anspruch eines MES sollte es sein, alle wichtigen vorhandenen IT-Bausteine einzubinden. Dies gilt etwa für Automatisierungssoftware, NC-Programme, CAD/CAM-Systeme, aber auch ERP-, PDM/PLM- oder andere Software. Nur so lässt sich eine Fertigung tatsächlich maximal effizient und automatisiert planen, steuern und in Richtung Industrie 4.0 weiterentwickeln. Bei der Integrationsfähigkeit, auch mit Blick auf die Einbindung von Zukunftstechnologie, unterscheiden sich die einzelnen MES jedoch stark.
Was bringt zum Beispiel die CAD/CAM-Integration?
Das CAD/CAM-System ist ein entscheidendes Puzzleteil in einer vernetzten Fertigung und eine signifikante Datenquelle. Daher ist es äußerst wichtig, dass diese Daten prozesssicher an den jeweiligen Arbeitsplatz kommen. Im Falle eines Herstellers von Spritzgießformen etwa wurden früher die NC-Programme aus dem CAM in Verzeichnisstrukturen auf dem Server gespeichert und dann manuell einzeln vom Server zur Steuerung transferiert. Jetzt überträgt die digitale NC-Programmverwaltung des MES die NC-Daten per Knopfdruck sicher an die entsprechende Maschine. Außerdem steuert das MES die externe NC-Programm-Simulation. Der Prozess- und Datenfluss ist komplett automatisiert. Dadurch werden nun 100 Prozent der NC-Programme simuliert und nicht nur Stichproben wie zuvor. Dies steigert die Sicherheit gerade in Bezug auf eine Automationsanlage enorm.
Aufwand und Risiken?
Fertigungsbetriebe haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Modulare, agile MES-Lösungen und maßgeschneiderte Implementierungsprojekte kommen dem entgegen. Diese können vom individuellen Starterpaket mit Inbetriebnahme in kürzester Zeit und ohne Consulting-Budget bis zur umfassenden Gesamtlösung mit Begleitung reichen. Manch ein MES verlangt keinerlei Installation und beschleunigt das Ganze noch. Beispiele vom sukzessiven Ausbau eines MES zeigen, wie es gehen kann: So startete ein Unternehmen mit einem MES-Basispaket zur Fertigungsplanung und getakteten Fertigungssteuerung inklusive BDE/MDE sowie ERP-Integration und etablierte im Laufe mehrerer Jahre schrittweise ein ganzheitliches Fertigungsmanagement mit unter anderem CAM-Integration und einem zentralen Werkzeugmanagement.
Wichtig: Die Einführung eines MES kann dazu führen, dass die bisherige Arbeitsorganisation modifiziert werden muss. Im Vorfeld gilt es deshalb, die maßgeblichen Beteiligten und Mitarbeiter ins Boot der nötigen Veränderungen zu holen. So können die unterschiedlichen Fachleute ihren jeweiligen Blick auf die künftigen MES-Erfordernisse einbringen.
MES wird wichtiger
Die Produktionswelt wird in Zukunft von wachsender Digitalisierung, Volatilität und Automation bei individuelleren Produkten und kleineren Losgrößen bestimmt. MES liefern genau dafür die Flexibilität und Lösungen, die zugleich mehr Effizienz und Produktionssicherheit bieten. Dabei sollte ein wichtiges Thema nicht vergessen werden: Wo Fachkräfte fehlen, kann ein MES den vorhandenen Mitarbeitern die Arbeit erleichtern und die nötige Zeit verschaffen, mit Mehraufwand fertig zu werden.
Fotos: Hummingbird
Autor: Marcus Kalbacher, Consultant MES bei OPEN MIND Technologies AG
Sie haben Fragen zu den speziellen Hummingbird-Modulen für die CAM-Software hyperMILL?
Sie wollen wissen, wie Sie Ihr Fertigungsmanagement optimieren können?
Dann kontaktieren Sie Marcus Kalbacher bei OPEN MIND